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Philosophie

Augustinus von Hippo – Radikale Liebe und ewiger Frieden im Gottesstaat

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Lesedauer 4 Minuten

Es klingt herausfordernd und mühsam, alle und jeden zu lieben. Genau das aber fordert Augustinus, einer der bedeutendsten christlichen Theologen und Philosophen. Geboren im Jahr 354 n. Chr. in Nordafrika, war Augustinus Bischof von Hippo Regius und ist bekannt als einer der Kirchenväter der westlichen Kirche. Seine Schriften und Lehren haben die christliche Theologie und Philosophie bis heute maßgeblich beeinflusst. Besonders prägend ist sein Werk „De civitate Dei“ (Der Gottesstaat), in dem er die Grundzüge seiner Vorstellung von Liebe und Frieden darlegt.

Was aber genau meint Augustinus, wenn er von Liebe spricht? Für Augustinus geht es nicht nur darum, Gefühle für jemanden zu haben, oder einer Person zugeneigt zu sein. Nein, seine Vorstellung von Liebe – die sogenannte Agape oder Caritas – ist viel weitreichender. Diese Liebe ist nicht nur selbstlos, sondern auch bedingungslos. Sie hängt nicht davon ab, ob der andere uns gefällt, uns nützt oder uns ähnlich ist. Augustinus fordert eine Liebe, die sogar Feinde einschließt und nichts im Gegenzug erwartet. Im Grunde genommen ist es blankes Wohlwollen.

Ein radikales Konzept der Liebe und ein Vorläufer der Menschenwürde

Bei Augustinus ist das Konzept der Liebe eng mit dem der Menschenwürde verbunden, da beide auf der Vorstellung beruhen, dass jeder Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen wurde (die Imago dei- Lehre). Diese Auffassung prägt seine ethischen Überlegungen und hat tiefgreifende Implikationen für das Verständnis von Menschenwürde innerhalb der christlichen Ethik.

Augustinus argumentiert, dass die wahre Liebe (Agape) nicht aufgrund der bereits vorhandenen Liebenswürdigkeit einer Person entsteht, wie es bei Eros der Fall ist, sondern dass sie darauf abzielt, den anderen liebenswert zu machen. Dieser Liebestypus geht über ein einfaches Geben und Nehmen hinaus und zielt darauf ab, die göttliche Natur im anderen zu erkennen und zu fördern. Indem die Liebe versucht, das Bild Gottes in jedem Menschen zu erneuern und zu stärken, wird die grundlegende Würde jeder Person betont und geschützt.

In dieser Hinsicht verbindet Augustinus die Nächstenliebe unmittelbar mit der Achtung vor der menschlichen Würde. Die Liebe, die er beschreibt, fordert von den Gläubigen, jeden Menschen als Träger des göttlichen Bildes zu sehen und entsprechend zu behandeln. Dies führt zu einer Ethik, die jeden Menschen als wertvoll erachtet, unabhängig von seinen individuellen Eigenschaften oder seinem sozialen Status. Es ist eine Aufforderung, jeden Menschen als Ziel der Liebe zu betrachten, nicht als Mittel zu einem anderen Zweck.

Diese Perspektive bietet eine starke Grundlage für die Achtung der Menschenrechte und für soziales Handeln, das auf der Unantastbarkeit der menschlichen Würde basiert. Augustinus‘ Verbindung von Liebe und Menschenwürde bietet somit einen tiefen moralischen und spirituellen Antrieb, sich für Gerechtigkeit, Mitgefühl und Frieden in der Welt einzusetzen.

Der Zusammenhang von Liebe und Frieden

Für Augustinus ist diese radikale Liebe der Schlüssel zu einem tieferen, dreifachen Frieden. Der Frieden mit uns selbst, mit den Anderen und mit der Welt. Dieser Frieden geht weit über einen politischen Frieden hinaus. Es ist ein innerer, persönlicher und letztlich kosmischer Frieden, den er in seinem „Gottesstaat“ als Endziel menschlicher Existenz darstellt.

Dieser Zustand der vollkommenen Harmonie überwindet alle Konflikte und mündet in ultimativer Glückseligkeit. Der von Augustinus angestrebte ewige Frieden ist mehr als nur die Abwesenheit von Krieg oder Streitigkeiten; er repräsentiert eine kosmische Ordnung, die von der Liebe durchdrungen und getragen wird.

Dieser ewige Frieden, den Augustinus anstrebt, ist mehr als die Abwesenheit von Krieg oder Streit. Er ist eine Art kosmische Ordnung, die alles durchdringt und dessen Ursprung die radikale Liebe ist. Indem wir uns selbst in der Liebe üben und diese Liebe auf andere ausdehnen so Augustinus, tragen wir zu dieser göttlichen Friedensordnung bei.

Fazit: Eine Einladung zur radikalen Liebe

Augustinus’ Vision ist anspruchsvoll, aber sie ist auf irgendeine Weise inspirierend. Er lädt uns ein, das eigene Leben in den Dienst einer größeren Liebe zu stellen. Es ist ein Aufruf, das Herz zu öffnen und die Welt durch die Augen des Wohlwollens zu sehen. Diese Art der Liebe mag idealistisch oder sogar utopisch erscheinen, aber sie kann im Alltag konkret werden – in den vielen kleinen Gesten von Freundlichkeit, im Verzicht auf Vorurteile und in der aktiven Suche nach dem Wohl anderer.

Es wird wohl den meisten nur schwer möglich sein, Augustinus’ Ideal voll zu entsprechen. Es wäre vermessen, ihm zu unterstellen, er hätte das nicht gewusst. Er fordert uns mit seiner Idee heraus, es aber zumindest zu versuchen, uns stetig darin zu üben und uns dabei von der Liebe zu Gott leiten zu lassen. Denn in dieser Liebe finden wir den Schlüssel zu einem erfüllten Leben und einem Frieden, der alle menschlichen Vorstellungen übersteigt.

Ob die Gottesebenbildlichkeit in den heutigen Tagen einer zunehmend bedeutungslos erscheinenden Religion noch überzeugt, ist fraglich. Das ist schade, denn das Konzept von Augustinus ist tiefgründig und bietet eine reichhaltige Quelle der Inspiration für eine Ethik der Liebe und des Respekts, die über religiöse Grenzen hinausweist. Seine Ideen können uns anleiten, ein tieferes Verständnis für die Menschenwürde zu entwickeln und uns zu einem mitfühlenden, ethischen Handeln inspirieren, das nicht nur in religiösen, sondern in allen menschlichen Kontexten von Bedeutung ist. So bleibt Augustinus‘ Einladung zur radikalen Liebe eine beständige Herausforderung an uns alle, uns von unseren besten Idealen leiten zu lassen und eine Welt zu gestalten, die von tiefer Liebe und echtem Frieden geprägt ist.



Externe Links:

Wikipedia: Gottesebenbildlichkeit

Universität Heidelberg: De civitate dei

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