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Kierkegaard: Wiederholung und Erinnerung
Lesedauer 7 MinutenKierkegaard: Gefangen in der Struktur von Wiederholung und Erinnerung „Wiederholung und Erinnerung sind dieselbe Bewegung, nur in entgegengesetzter Richtung, denn was da erinnert wird, ist gewesen, wird nach rückwärts wiederholt, während hingegen die eigentliche Wiederholung nach vorwärts erinnert.“Sören Kierkegaard Oft heißt es, wir sollten im Moment leben. Aber können wir das wirklich? Kierkegaard hatte seine Zweifel. Er sah den Menschen als ein denkendes Wesen, gefangen zwischen Wiederholung und Erinnerung. So entgleitet ihm der Augenblick immer wieder: Statt die Gegenwart zu erleben, kehrt er in Gedanken in die Vergangenheit zurück oder projiziert sich in die Zukunft. Was bleibt dann vom Moment? Wir klammern uns an das Vergangene und hoffen…
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Augustinus von Hippo – Radikale Liebe und ewiger Frieden im Gottesstaat
Lesedauer 4 MinutenEs klingt herausfordernd und mühsam, alle und jeden zu lieben. Genau das aber fordert Augustinus, einer der bedeutendsten christlichen Theologen und Philosophen. Geboren im Jahr 354 n. Chr. in Nordafrika, war Augustinus Bischof von Hippo Regius und ist bekannt als einer der Kirchenväter der westlichen Kirche. Seine Schriften und Lehren haben die christliche Theologie und Philosophie bis heute maßgeblich beeinflusst. Besonders prägend ist sein Werk „De civitate Dei“ (Der Gottesstaat), in dem er die Grundzüge seiner Vorstellung von Liebe und Frieden darlegt. Was aber genau meint Augustinus, wenn er von Liebe spricht? Für Augustinus geht es nicht nur darum, Gefühle für jemanden zu haben, oder einer Person zugeneigt…
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Fortschrittsglaube: Der bröckelnde Glaube an den Fortschritt
Lesedauer 7 MinutenFortschrittsglaube: Der bröckelnde Glaube an den Fortschritt Über Jahrhunderte hinweg war der Fortschrittsglaube eine treibende Kraft, die Generationen inspirierte und das Weltbild der Moderne prägte. Die vergangenen zweihundert Jahre, und insbesondere das letzte Jahrhundert, waren vom festen Vertrauen geprägt, dass der Mensch sich durch die Wissenschaft immer weiter emporheben könne – und mit jeder Entdeckung, jedem technologischen Durchbruch, die Gesellschaft stetig voranschreite. Diese Idee, dass mehr Wissen unvermeidlich zu einer besseren, vielleicht sogar perfekten Welt führt, war lange Zeit eine Art kulturelles Mantra. Doch dieser Fortschrittsglaube gerät zunehmend ins Wanken. Immer deutlicher werden die Schattenseiten des Fortschritts, von ökologischen Krisen bis hin zu sozialen Spannungen. Rousseaus Frage, ob…
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Vielfalt: Bereicherung oder Herausforderung
Lesedauer 7 MinutenEs wird viel über Vielfalt – oder „Diversity“ – gesprochen. Ich persönlich schätze die Vielfalt an Perspektiven, Denkstrukturen, Lebensentwürfen, Ideen und Ausdrucksformen. Vielfalt ist ein bedeutsamer Wert unserer Zeit geworden und wird oft als Quelle für Innovation und kulturellen Austausch gesehen. Sie kann neue Perspektiven eröffnen und dazu beitragen, die Anpassungsfähigkeit einer Gesellschaft zu stärken. Allerdings ist sie auch nicht für alle der Inbegriff des Fortschritts. Vielfalt bereichert – so jedenfalls das vorherrschende Narrativ. Ich denke, man kann und sollte Vielfalt respektieren oder auch schätzen; dass man sie jedoch so vehement erzwingen möchte, erscheint mir dann aber doch nicht immer durchdacht. Denn wenn man genauer hinsieht, bietet Vielfalt…
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Vergnügen
Lesedauer 2 Minuten„Vergnügen. Es scheint so leicht, so harmlos, so ungezwungen und unverbindlich. Und doch ist da etwas Fauliges an dieser Leichtigkeit. Es ist wie ein billiger Zaubertrick, der uns ablenkt, uns betäubt, während die Zeit leise verrinnt. Sieh doch, wie schnell das Lachen verfliegt, sieh, wie schnell die Vergnügung vorüber ist, als hätte sie nie existiert. Ein kurzer Moment der Freude, der nichts hinterlässt als die Leere, die sie eigentlich verdecken wollte. Ein Hohlraum, den wir unweigerlich füllen müssen – erneut. Und erneut. Und erneut und so ins Unendliche. Sieh Dich doch einmal um! Das Vergnügen hat sich ausgebreitet wie Gestank. Dabei verspricht es Sinn zu stiften. Aber das…
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Kants Ethik: Revolution oder Bürokratisierung der Ethik?
Lesedauer 5 MinutenPflichtethik Immanuel Kants: Eine Revolution des moralischen Denkens oder die Bürokratisierung der Ethik? Immanuel Kant, führte eine grundlegende Neuorientierung im Bereich der Ethik ein, die er selbst als „kopernikanische Wende“ bezeichnete und die so auch in die Philosophiegeschichte einging. Ähnlich wie seine Revolution in der Erkenntnistheorie, die das Denken von der Illusion einer „an sich“ für uns erkennbaren objektiven Realität befreite, hat Kant auch die Ethik auf ein neues Fundament gestellt, indem er sie aus der Abhängigkeit von empirischen und subjektiven Einflüssen löste. Kant machte Ethik zu einer Wissenschaft, die auf rationaler Begründung beruht und nicht auf religiösen, kulturellen oder traditionellen Normen. Kants Ethik als Wissenschaft: Die Unabhängigkeit…
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Realität und Wirklichkeit – Dasselbe oder doch nicht?
Lesedauer 4 MinutenRealität und Wirklichkeit – Dasselbe oder doch nicht und was das alles mit Platon zu tun hat Ist der Weihnachtsmann nun real oder wirklich. Oder keines von beiden. Für alle drei Möglichkeiten lassen sich Argumente finden, aber gerade die deutsche Sprache bietet mit „Realität“ und „Wirklichkeit“ eine ontologisch aufschlussreiche begriffliche Unterscheidung an. Frage ich meine Kinder, ob es den Weihnachtsmann „gibt“, sagen sie „irgendwie schon“ aber halt nicht „in echt“. Das ist auf der einen Seite durchaus nachvollziehbar, denn dieser Weihnachtsmann ist höchstwahrscheinlich keine reale Person. Dass es „etwas gibt“ oder in „echt gibt“ sind dabei aber vage Begriffe, denn sie lassen sich weit auslegen. Ob der Weihnachtsmann…
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Am Ende geht es darum, was sie glauben-Glaube ist unvermeidlich
Lesedauer 4 MinutenEs wird wohl einer der letzten heißen Tage dieses Jahres sein. Also auch einer der letzten Abende, an denen ich in meinem Garten am Rande der Unendlichkeit sitze, das Feuer beobachte und die Ruhe und Zurückgezogenheit genieße. Es sind diese mystischen Momente, für die ich mir gerne Zeit nehme. Und da kam mir ein Gedanke: Alles Wissen und aller Wissenschaft zum Trotz geht es am Ende darum, was die Menschen glauben. Wissen Sie, was ich glaube? Dass der Glaube nicht genug wertgeschätzt wird. Er macht auf mich einen recht gebrechlichen Eindruck. Er hat gelitten, und das sieht man ihm an. Dabei tun wir ihm Unrecht, denn der Glaube…
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Stoische Ethik: Akzeptanz und Apathie als Ideal
Lesedauer 4 MinutenDie stoische Ethik, eine der einflussreichsten philosophischen Lehren der Antike, wurde um 300 v. Chr. von Zenon von Kition in Athen gegründet. Benannt nach ihrem Treffpunkt, der „Stoa poikile“ der „bunten Halle“, legt sie besonderen Wert auf Pflichtbewusstsein und Vernunft. Die Stoa präsentiert ein Modell ethischen Handelns, das den Menschen anleitet, im Einklang mit der Natur zu leben und durch den Gebrauch seiner Vernunft ein tugendhaftes Leben zu führen. Diese Ethik ist sowohl intellektualistisch als auch universalistisch, da sie auf allgemeingültigen Prinzipien beruht und sich an alle Menschen unabhängig von Herkunft oder sozialem Status richtet. Grundannahmen der stoischen Ethik Die stoische Ethik basiert im Wesentlichen auf zwei zentralen…
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Utilitarismus: Technik oder Ethik?
Lesedauer 4 MinutenDer Utilitarismus: Eine Technik oder eine Ethik? Der Utilitarismus wird häufig als eine Art ethische Theorie betrachtet, die sich innerhalb der philosophischen Ethik bewegt. Bei genauerem Hinsehen stellt sich aber die Frage, ob es sich damit tatsächlich um eine Ethik im herkömmlichen Sinne handelt, oder ob er vielmehr eine Methode darstellt, um praktische Lösungen für konkrete Probleme zu finden. Die utilitaristische Denkweise basiert auf einer „Wenn-Dann-Kalkulation“, welche die Konsequenzen von Handlungen in den Vordergrund stellt, ohne dabei absolute Normen, Werte oder Tugenden zu beanspruchen. Diese Herangehensweise hat den Utilitarismus traditionell näher an die politische Philosophie als an individualethische Fragestellungen gerückt. Technik oder Ethik: Historische Ursprünge und Entwicklungen des…