Augenblick
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Existenzphilosophie,  Philosophische Lyrik

Der Augenblick

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Er ist die Gegenwart in seiner gegenwärtigsten Form, denn nichts ist gegenwärtiger als der Augenblick. Er verbindet das Gewesene mit dem Jetzt, das Jetzt mit dem Danach, wie ein Atemzug, der auf den nächsten folgt. In jedem Augenblick existiert der Moment, als die reine Gegenwart.

Dabei ist er einzigartig, wie ein Schneekristall in der kalten Winterluft und ebenso vergänglich, sobald wir nach ihm greifen. Jeder Augenblick geht in uns auf, wie ein Tropfen, der für einen kurzen Moment auf einer Welle tanzt, um dann doch im tiefen Ozean der Zeit zu versinken. Aber in diesem Versinken, in dieser scheinbaren Vergänglichkeit, birgt jeder Augenblick auch einen Hauch von Ewigkeit. Denn er ist für alle Zeit das, was er in diesem Moment war: etwas Unveränderliches.

Der Augenblick ist nicht nur unveränderlich, er verkörpert zugleich auch die Unwiederholbarkeit jenes Moments, von dem uns schließlich nichts mehr bleibt, als eine Erinnerung. Wer versucht, den Augenblick zu wiederholen, kann an dessen Ewigkeit nur scheitern.

Auch wenn er noch so flüchtig ist, fügt doch jeder Augenblick unserem Leben etwas Neues hinzu, wie ein Faden, der auf den nächsten gewoben wird, im komplexen Gewebe unseres Daseins. Denn das Dasein ist das Jetzt-Sein durch sein Gewesen-Sein und sein Sein-Wollen. Ohne dieses Gewesen-Sein und das Sein-Wollen wüssten wir nicht, welcher Augenblick der richtige ist, denn nur durch unser Streben und unser Verlangen erhält der Augenblick seine Bedeutung in der Ganzheit unseres Daseins.

Jeder dieser einzelnen Augenblicke kann entscheidend sein für unser Leben; ihn zu erkennen vermag aber nur der, der im Hier und Jetzt lebt. Es ist, als würde die Welt für einen kurzen Moment stillstehen, die Geräusche leiser werden, und alles, was bleibt, ist die Gewissheit, ein tiefes Verständnis, dass dies der Moment ist, der zählt. Wer ganz im Hier und Jetzt ist, verliert sich nicht in Gedanken an die Vergangenheit oder Sorgen um die Zukunft, sondern spürt, fühlt und erkennt, dass dieser Augenblick – und nur dieser – das Potenzial in sich trägt, alles zu verändern.

Wer in der Erinnerung an jene Augenblicke verharrt oder gar versucht, diese zu wiederholen, wer ständig von der Zukunft träumt, läuft Gefahr, jenen Moment zu übersehen, der gerade jetzt eine neue Welt eröffnen könnte.

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Externe Links:

Metzler Lexikon Philosophie – Existenzphilosophie

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