Der Mensch
Metaphysik,  Philosophische Lyrik

Der Mensch

Lesedauer 2 Minuten

Täglich begegnen wir hunderten, manchmal sogar tausenden Menschen. Aber was ist es, was wir wirklich sehen? Den Menschen? Was also ist der Mensch?

Da steht eine Frau mit müden Augen an der Bushaltestelle, ihre Schultern leicht nach vorn gesunken, als trüge sie eine unsichtbare Last. Ein Mann starrt gedankenverloren in sein Handy, seine Stirn in Falten gelegt, als suchte er in der digitalen Welt nach einer Antwort, die ihm das Leben bisher verweigerte. Ein Kind rennt lachend vorbei, seine Schritte leicht und unbeschwert, in einer Welt, die so viel einfacher scheint als unsere. Wir sehen Gesichter, Körper, Bewegungen; hören Stimmen, Worte, Sätze – alles nur Fragmente einer viel größeren Idee. Doch sehen wir wirklich den Menschen?

Der Mensch – dieser Begriff, so allumfassend und doch so flüchtig. Wir erkennen einzelne Menschen, spüren ihre Anwesenheit, doch der Mensch als solches bleibt unsichtbar, ungreifbar. „Mensch“ – ein Wort, ein Konzept, das wir verwenden, um das Verbindende zwischen all diesen Individuen zu benennen. Aber dieses Konzept, so machtvoll es auch alle umschließt, hat keine eigene Form, keinen eigenen Körper. Es existiert nur in unserem Denken, eine Idee, die uns Orientierung gibt, wo das Chaos der Einzeldinge uns zu überwältigen droht.

In jedem Blick, den wir tauschen, in jeder Berührung, die wir spüren, in jedem Gedanken, den wir fassen, offenbart sich ein Fragment des Menschseins. Doch das Ganze, der Mensch in seiner Totalität, bleibt immer nur eine ferne Abstraktion. Es ist, als würde man in einem Ozean von Gesichtern nach einer einzelnen Welle suchen, die den gesamten Ozean repräsentiert – unmöglich, und doch wissen wir, dass der Ozean aus nichts anderem besteht.

So sehen wir täglich diese Einzelnen, diese Einzeldinge, die wir Menschen nennen, und verkennen dabei oft, dass der „Mensch“ als solcher eine Konstruktion ist, geboren aus der Notwendigkeit, das Viele auf das Eine zu reduzieren. Aber der Mensch selbst? Der Mensch existiert nicht im Einzelnen, sondern nur im Ganzen, und dieses Ganze bleibt unsichtbar, nur als Idee in unseren Köpfen präsent. Und vielleicht ist es gerade dieses Paradox, das uns menschlich macht: Dass wir in jedem Gesicht ein Spiegelbild des Menschseins suchen und doch niemals den gesamten Menschen sehen, ja niemals den ganzen Menschen denken können.

Am Ende bleibt der Mensch vielleicht für immer ein Rätsel, eine Abstraktion, die wir nie vollständig begreifen können. Doch genau dieses unvollständige Begreifen ist es, was uns dazu treibt, immer weiter zu suchen – nach dem Ganzen in all den Fragmenten, nach dem Einen im Vielen. Wir erkennen, dass diese Suche möglicherweise nie abgeschlossen wird, dass der Mensch in seiner Gesamtheit uns immer entgleiten wird. Und dennoch setzen wir sie fort, in jedem Gesicht, in jeder Begegnung, auf der Suche nach dem Menschen.



Interne Links:

Die Grundlagen der Wissenschaft: Platons Ideenlehre und das Universalienproblem

Externe Links:

Deutschlandfunk: Was ist der Mensch?

Anthrowiki.at: Universalienproblem

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