Achtsamkeit
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Philosophie des Geistes

Über den Begriff der Haltung – was ist Haltung? Teil 1:

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Lesedauer 4 Minuten

Der Begriff „Haltung“ durchzieht viele Aspekte unseres Lebens und manifestiert sich in unterschiedlichen Kontexten – von der Lebensweise über die ethische Grundhaltung bis hin zu praktischen Anwendungen wie der Buchhaltung. In diesem Essay möchte ich den vielschichtigen Begriff der Haltung beleuchten und meine Interpretation dieses Konzepts präsentieren. Es geht mir einerseits darum, eine semantische und philosophische Untersuchung des Begriffs durchzuführen, aber auch darum, elementare Bestandteile des Begriffs zu freizulegen, unabhängig von seiner Verwendung im jeweiligen Kontext. Darüber hinaus möchte untersuchen, was es heißt eine Haltung zu haben und worin sie bestehen kann.

Dieser Essay wird sich aus zwei Teilen zusammensetzen: einem theoretischen und einem praktischen Teil. Im theoretischen Teil untersuche ich einerseits die Semantik des Begriffs aber auch die verschiedenen Formen der Haltung im philosophischen Sinn, sowie die Dichotomie der Haltung, als leiblich-geistiges Phänomen. Der zweite Teil behandelt die Praktiken der Haltung oder anders gesprochen, wie wir jene praktizieren.

A. Theoretischer Teil

I. Der Begriff der Haltung – Eine semantische und philosophische Begriffsanalyse

Wir verwenden den Begriff der Haltung in vielen unterschiedlichen Kontexten: Tierhaltung, Bodenhaltung, Buchhaltung, Lagerhaltung, Reinhaltung, Haushalt, Instandhaltung und vielem mehr. Doch wie steht es um uns selbst? Hier denken wir an Körperhaltung, Lebenshaltung, Selbsterhaltung, Abwehrhaltung und viele weitere Formen der Haltung.

Ein zentrales Merkmal, das in all diesen Begriffen zum Vorschein dringt, ist jenes des Bewahrens, Behütens oder Beschützens. Dies wird insbesondere in Begriffen wie Lebenshaltung, Abwehrhaltung und Selbsterhaltung deutlich. Es handelt sich dabei oft um Haltungen in einem existenziellen Sinne, bei denen es darum geht, das eigene Leben und die eigene Existenz zu bewahren. Der Haushalt hingegen dient der Bewahrung der häuslichen Ordnung, die Buchhaltung bewahrt die kaufmännische Ordnung.

Doch der Begriff ‚Haltung‘ geht über das reine Bewahren hinaus. Haltung ist, wie mir meine Kinder einmal sagten, respekteinflößend. Und damit haben Sie auch recht. Als Imperativ eingesetzt ist der Begriff ‚Halt‘ wirkmächtig und wird zu einer klaren und unmissverständliche Ansage. Als Substantiv gebraucht repräsentiert er einen Zustand der Sicherheit oder einen Zustand des Stützens.

Betrachten wir abschließend noch die Verben im Zusammenhang mit dem Grundverb „halten“: Einhalten, abhalten, maßhalten, zusammenhalten, durchhalten, ruhighalten, raushalten, geradehalten, gefangenhalten, aushalten und so weiter. Besonders im Verb „halten“ selbst wird der semantische Gehalt des Begriffes sehr deutlich. Es geht nicht einfach nur um ein Anfassen oder Berühren; Beim „Halten“ kommt eine tiefere Dimension hinzu. „Halten“ bedeutet, „Halt“ geben, stützen. In diesem Akt des „Haltens“ entsteht ein Spannungsverhältnis, ja sogar eine Anstrengung, denn wenn wir etwas halten, dann fassen wir es nicht einfach an. Diese Anstrengung dient dem Zweck, das Gehaltene und den Zustand des Haltens – ganz gleich ob physisch oder metaphorisch – zu bewahren.

1. Leibliche und geistige Dimension der Haltung

In physischer Hinsicht ist Haltung untrennbar mit unserem Leib verbunden. Wir denken dabei an Begriffe und Bilder wie „stocksteif“, des „aufrecht Sitzens oder Gehens“. Aller Schwierigkeiten zum Trotz, die menschliche Natur anthropologisch – etwa im Hinblick auf die Frage „Was ist der Mensch?“ – zu beschreiben, existiert im Kontext einer leiblichen Definition eine klare Gewissheit: Der „aufrechte Gang“ ist eine exklusiv menschliche Haltung.

Aber Haltung ist nicht nur physisch. Sie hat auch eine innere, geistige Dimension. Diese zeigt sich in der Einstellung einer Person, wie sie sich selbst und anderen gegenüber verhält und wie sie bestimmten Sachverhalten in der Welt begegnet. Diese geistige Dimension als eine Art der inneren Einstellung, des inneren „Settings“ umfasst insbesondere die Überzeugungen und Weltanschauungen, die einer Person Orientierung geben. Sie kann als etwas grundlegend handlungsleitendes verstanden werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Haltung sowohl eine leibliche als auch eine geistige Dimension hat. Beide Aspekte sind miteinander verflochten. Egal, ob wir sitzen, stehen, gehen oder liegen, wir nehmen stets eine körperliche Haltung ein. Gleichzeitig ist unsere Haltung Ausdruck innerer Spannung, Anstrengung und Willenskraft.

2. Haltung als Verhältnis

Jede Art der Haltung, sei sie leiblich, sei sie geistig, ist immer ein Verhältnis. Sie ist Selbst- wie auch Weltverhältnis oder anders gesprochen, das Selbst- wie auch das Weltverhältnis ist Ausdruck unserer Haltung. In diesem Sinne manifestiert sich das Selbst- und Weltverhältnis in unserer Haltung. Die Haltung ist nicht bloß eine innere Gegebenheit; sie wird auch nach außen hin sichtbar, wird empirisch, in unseren Handlungen, unserer Sprache und in der Art und Weise, wie wir uns als Personen präsentieren.

Diese äußere Manifestation unserer Haltung macht deutlich, dass wir in vielerlei Hinsicht schlicht unsere Haltungen sind. Es ist nicht möglich, „keine Haltung“ zu haben. Selbst wenn jemand physisch oder emotional „schlaff“ wirkt, stellt dies immer noch eine Haltung dar. Die Haltung ist mithin ein existenzieller Begriff, der in unbedingter Form, mit dem eigenen Dasein untrennbar in Zusammenhang steht. Einzig im Tot verliert sich die Haltung. Der Tote hat keine Haltung, er verhält sich zu niemandem mehr, weder zu sich noch zur Welt. Dies verdeutlicht nicht nur die existenzielle, sondern auch die soziale Dimension der Haltung als ein Verhältnis, als ein relationales Konzept durch welches wir mit uns selbst und der Welt interagieren.

3. Haltung als Spannungsverhältnis

Haltung existiert in einem Spannungsverhältnis und erfordert eine kontinuierliche Anstrengung. Ob physisch oder mental, die Aufrechterhaltung einer Haltung ist eine ständige Herausforderung, ein fortwährendes Bemühen und eine Selbst-Erinnerung.

Dieses Spannungsverhältnis kann in unterschiedlichen Graden vorhanden sein. Die Intensität der Bemühungen, eine gewisse Haltung zu bewahren, variiert von Person zu Person. Tatsächlich erfordert eine bewusste Haltung ein kontinuierliches inneres Gespräch, eine Selbstprüfung und gegebenenfalls auch einen Kampf. Unsere Bereitschaft, diese Herausforderungen anzunehmen, ist ebenfalls eine Frage der Haltung.

Eine Störung der Haltung erfahren wir im Fall. Im Fall, zunächst als ein rein physikalisches und empirisch beobachtbares „fallen“, entsteht ein Moment der „Unhaltung“, ein Moment in dem jenes „bewahrte“, in Unordnung stürzt. Im Fall, könnte man sagen, verliert sich die Haltung an das Chaos. Wir verlieren schlichtweg die Kontrolle. Der Fall ist zunächst ein Erfahrungsbegriff aus der empirischen Welt, wird aber gerne auch als Metapher dafür verwendet, wenn jemand die Kontrolle über sein Leben verliert oder wie man auch sagt, von seinem Weg abkommt. Der Fall, so scheint es, ist der Feind der Haltung. In ihm wird die Haltung gestört, ganz gleich ob leiblich durch einen Sturz oder im Lebensvollzug. Natürlich ist es auch eine Haltung, jenen Gefahren des „Falls“ möglichst aus dem Weg zu gehen, sei es durch „Zurückhaltung“, „Enthaltung“ oder möglicherweise auch der „Selbsterhaltung“. Dennoch lässt sich das Eintreten des Fallens bei aller Vorsicht nicht gänzlich ausschließen. Fallen wir also, bedarf es wiederum einer Haltung, um zur Haltung zurückzukehren.  

Woraus also besteht Haltung?

Fortsetzung in Teil 2

https://www.deutschlandfunk.de/menschsein-wir-sind-unsere-haltungen-100.html

https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/haltung

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