Epikur
Ethik und Moralphilosophie

Epikur: „Lebensfreude geht durch den Magen“

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Lesedauer 4 Minuten

 „Lebensfreude geht durch den Magen“ – Die epikureische Ethik und die Kunst des Genießens

„Lebensfreude geht durch den Magen“ – bei Epikur eine zutreffende Weisheit, auch wenn sie nicht zu üppigen Gelagen verleiten sollte. Epikur lehrte, dass einfache Freuden wie Essen und Freundschaft nicht nur das Herz, sondern auch die Seele nähren. Aber dieser Satz sollte nicht missverstanden werden, denn Epikur steht nicht für das ausschweifende Mahl, als vielmehr für eine Ethik der Mäßigung. Seine Philosophie, die Lust als Weg zur Lebensfreude sieht, bietet eine interessante Perspektive darauf, wie wir unser Leben gestalten können. Durch die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse und den Genuss des Augenblicks, zeigt Epikur, dass das Glück oft auf unserem Teller beginnt.

In der Antike zählte die Philosophie Epikurs zu den bedeutendsten Alternativen zur Stoa und erfreute sich großer Beliebtheit. Diese beiden philosophischen Schulen konkurrierten nicht nur auf dem Gebiet der Ethik, sondern auch in anderen Bereichen, die ethische Implikationen hatten. Epikur (341-270 v. Chr.), dessen Anhänger im sogenannten „Garten“ zusammenkamen, entwickelte eine Ethik, die stark auf den Prinzipien des Luststrebens und der Freiheit basierte und dabei von den physikalischen Theorien des Atomismus inspiriert war.

Epikur und die Ablehnung des Determinismus

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Epikur lehnte den von den Stoikern vertretenen Determinismus und die Existenz eines unwandelbaren Schicksals (Fatum) ab. Stattdessen vertrat er die Auffassung, dass in der Natur eine gewisse Unvorhersehbarkeit existiere. Er begründete dies damit, dass Atome in ihrer Bewegung unerwartete Bahnabweichungen, sogenannte „declinationes“, aufweisen könnten. Es entstehen dadurch Lücken in der Naturordnung, die nicht prognostizierbar sind. Diese kleinen „Lücken“ öffneten den Raum für Zufall und die Möglichkeit der Freiheit. Es wäre sicherlich nicht falsch zu sagen, dass Epikurs Sichtweise eine frühe Form des Kompatibilismus darstellt, bei dem Determinismus und freier Wille miteinander vereinbar sind.

Das Lustprinzip als ethische Richtschnur

Das zentrale Prinzip der epikureischen Ethik ist das Lustprinzip, das besagt, dass alles menschliche Handeln darauf abzielt, Lust zu maximieren und Schmerz zu minimieren. Epikur definiert „Lust“ jedoch nicht einfach als körperliche, sinnlich vermittelte Vergnügungen, sondern als Abwesenheit von Schmerz und Unbehagen. Diese Art von Lust führt zu einem Zustand innerer Zufriedenheit und Seelenruhe (Ataraxie), in dem keine Unlust empfunden werden muss. Diese Seelenruhe wird durch rationale Lebensplanung und die Vermeidung von großen Ausschlägen oder Erschütterungen erreicht. Das Ideal eines solchen Lebens ist es, frei von Angst und Sorgen zu sein, insbesondere frei von der Angst vor dem Tod. Epikur argumentierte, dass der Tod kein Grund zur Sorge sei, da er uns, solange wir leben, nicht betrifft und wir nach dem Tod keine Empfindungen mehr haben.

Die grundlegende Rolle körperlicher Bedürfnisse

Epikur betonte die zentrale Rolle der Befriedigung grundlegender körperlicher Bedürfnisse als Ausgangspunkt für alles Gute. Ein besonders prägnantes Zitat von ihm lautet:

„Die Lust des Magens ist der Anfang und die Freude alles Guten; und hierauf bezieht sich das, was weise und was überreichlich ist.“

Diese Aussage unterstreicht, dass die einfache, aber fundamentale Freude, die aus der Erfüllung körperlicher Bedürfnisse resultiert, nicht nur als Basis für weiterführendes Glück dient, sondern auch eine klare Richtschnur für das Handeln bietet. Epikur sieht die Befriedigung solcher grundlegenden Bedürfnisse als ersten Schritt auf dem Weg zu einem Leben in Ataraxie, einem Zustand der Seelenruhe, der frei von Schmerz und Unbehagen ist. Die Erkenntnis, dass selbst die elementarsten Freuden wie die Nahrungsaufnahme nicht trivial sind, sondern entscheidend für das Erreichen von Glück, bildet einen Kernpunkt seiner Philosophie. Dieser Ansatz hebt die Bedeutung eines maßvollen Genusses hervor, der die Grundlage für ein weises und überlegenes Leben schafft, frei von den Turbulenzen der Exzesse. Indem Epikur die Wichtigkeit der Befriedigung einfacher Lebensbedürfnisse betont, bietet er eine praktische und erreichbare Methode, um Lebensfreude und mentale Stabilität zu fördern.

Tugenden und Lebenskunst

In der epikureischen Ethik spielen Tugenden eine wichtige Rolle, jedoch nicht um ihrer selbst willen, sondern als Mittel zum Zweck: Sie sind notwendig, um ein lustvolles und erfülltes Leben zu führen, das durch die Abwesenheit von Schmerz und innerer Unruhe gekennzeichnet ist. Anders als in der Stoa oder bei Aristoteles, wo Tugenden sowohl intrinsischen Wert besitzen als auch direkt zur Eudaimonie beitragen, haben Tugenden bei Epikur primär eine instrumentelle Funktion. Sie ermöglichen es uns, weise und maßvoll zu handeln, Schmerz zu vermeiden und seelische Gelassenheit zu erlangen, was letztendlich zu einem glücklicheren Leben führt. Diese pragmatische Sichtweise spiegelt sich auch in den typischen epikureischen Lebensweisheiten wider: Man sollte ein zurückgezogenes und bescheidenes Leben führen, den Moment genießen („carpe diem“), und den Tod nicht fürchten, da er uns nicht betrifft.

Epikur: Abschließende Gedanken und persönliche Meinung

Epikurs Ethik der Mäßigung bietet in unserer heutigen Welt, die von Überkonsum und ständiger Reizüberflutung geprägt ist, eine wertvolle Perspektive. Insbesondere seine Betonung auf Seelenruhe und die Vermeidung von Schmerz durch einfache, maßvolle Freuden zeigt einen Weg auf, wie wir Nachhaltigkeit und persönliches Wohlbefinden in Einklang bringen können. Gleichzeitig finde ich, dass die epikureische Philosophie wesentliche Aspekte des menschlichen Lebens vernachlässigt, insbesondere den Wert und die Bedeutung von Schmerz und Leid.

Für mich sind Schmerz und Leid nicht nur unvermeidliche, sondern auch wesentliche Elemente der menschlichen Erfahrung. Sie tragen dazu bei, das Leben in seiner vollen emotionalen und existenziellen Tiefe zu erfassen. Wie die Dynamik in einer Melodie, die ihre Schönheit durch eine Vielfalt von Tönen, Höhen und Tiefen erhält, so ist auch das menschliche Leben reicher und bedeutungsvoller durch die Kontraste, die Schmerz und Freude bieten.

Die epikureische Philosophie strebt danach, Schmerz zu minimieren, um Lust und Glück zu maximieren. Doch diese Herangehensweise scheint mir zu reduktionistisch und zu begrenzt, um die komplexen Realitäten unseres Lebens vollständig zu umfassen. Das Leben, ohne die schmerzhaften Momente zu betrachten, würde bedeuten, einen wesentlichen Teil unserer Entwicklung und unseres Wachstums zu ignorieren.

Darüber hinaus führt die epikureische Sichtweise möglicherweise dazu, dass man sich vor wichtigen, aber möglicherweise schmerzhaften Erfahrungen scheut, die zur persönlichen Reifung beitragen könnten. Es ist wichtig, Schmerz nicht nur als etwas zu sehen, das es zu vermeiden gilt, sondern als existenzielle Erfahrung die potentiell transformativ und aufschlussreich sein kann.

Und dennoch halte ich es für sinnvoll, sich mit Epikurs Ethik zu befassen, um ein tieferes Verständnis dafür zu entwickeln, wie man Freuden bewusst erleben und zugleich ein ausgeglichenes Leben führen kann. Also schnappen Sie sich vielleicht ein Stück Käse, während Sie darüber nachdenken, ob und wie Sie Epikurs Weisheiten in Ihr tägliches Leben integrieren können .



Interne Links:

„Meden agan“ oder die Vermeidung von Übermaß und was das alles mit persönlichem Glück zu tun hat

Nikomachische Ethik – Zeitlose Einsichten für die moderne Welt

Aristoteles: Praxis vs. Poiesis und was das alles mit persönlichem Glück zu tun hat

Externe Links:

Philosophie Magazin: Epikur

Bayern 2: Epikur, der Philosoph der maximalen Lust

NZZ: Wie stillt man die Lust am besten

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